Polen und Tschechien schützen sich ab 2017 vor deutschem Ökostrom

Phaseschieber_Siemens_2014_01 Deutschland produziert jede Menge Ökostrom. Viel mehr, als im eigenen Land verbraucht werden kann und so fließt der Strom oft auch zu den Nachbarn in Polen und Tschechien. Den dortigen Netzbetreibern gefällt der Strom aus dem Westen allerdings überhaupt nicht und so hat man sich am Rande des gestrigen Treffens zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem polnischen Ministerpräsidenten Tusk darauf geeinigt, dass 300 Millionen Euro in vier Phasenschieber investiert werden, mit denen dann der Stromfluss dann ab 2017 zwischen den Ländern besser geregelt werden kann.

Sind die Leitungen hierzulande gesättigt mit deutschem Ökostrom, so fließt der zu viel produzierte Strom einfach nach physikalischen Grundgesetzen zum Ort mit dem geringsten Widerstand. Dann findet er oft den Weg nach Polen und von dort dann nach Tschechien. Die dortigen Netzbetreiber sind davon naturgemäß wenig begeistert und so gab es immer wieder Spannungen deswegen mit den östlichen Nachbarstaaten. Die Überspannungen zwangen die polnischen und tschechischen Netzbetreiber leider immer wieder zu Notabschaltungen und das brachte ihre Netzfahrpläne natürlich durcheinander. Deshalb hat man sich immer wieder in Berlin und auch in Brüssel über die deutsche Überproduktion beim Ökostrom beschwert.

Damit das in Zukunft nicht mehr passiert, investiert man nun 300 Millionen Euro und baut bis 2017 dies- und jenseits der Grenzen zu Polen und Tschechien mächtige Geräte, sogenannte Phasenschieber, ein. Diese Apparaturen wirken wie Ventile, wie der Vorsitzende der Geschäftsführung des deutschen Netzbetreibers 50Hertz, Boris Schucht, laut der FAZ ausführte. 50Hertz übernimmt auch die Hälfte der Investitionskosten und will diese dann natürlich auch wieder auf die Verbrauchspreise umlegen. Diese Phasenschieber können geöffnet werden, wenn Polen oder Tschechen Strom einführen wollen. Wenn nicht, werden sie geschlossen. Das Ganze funktioniert natürlich auch für den Stromexport in Richtung Deutschland. Bislang war so etwas nicht möglich, weil die Leitungen nach Osten wie eine Art Notfallüberlauf nicht blockiert werden durften. Mit dieser flexiblen Steuerung soll das nun anders werden.

Bilder: © Siemens

1 Kommentar

  1. Ernst Ludwig Schüppstuhl -  19. Januar 2017 - 21:50 51618

    Die Aufregung, dass hier jemand etwas zu unseren Lasten unternimmt, ist nicht wirklich begründet. Anders als konventionelle Kraftwerke, deren Leistung dem aktuellen Bedarf angepasst werden kann und wird, bläst der Wind oder scheint die Sonne eben nicht dann, wenn die Energie benötigt wird. Die unbedingte Abnahmepflicht und Vergütungspflicht für sogenannten Ökostrom bedingt aber, dass der entsprechend erzeugte Strom auf jeden Fall ins Netz geschoben wird. Bei besonderen Wetterlagen wie beständiger Wind und/oder dauerhaft klarem Himmel kann bei der heute bereits installierten Grünstromleistung die Abnahmekapazität der Verbraucher erheblich überschritten werden. Bislang wurden die Überschüsse in benachbarte Netze wie eben das tschechisch geschoben, und verursachten dort Störungen wie Frequenzüberschreitungen. Da diese Netze kaum ausreichende Informationen über den kommenden Verlauf der eingeschobenen Strommengen vorab erhalten, sind ihre Reaktionen daher immer nachlaufend. Es besteht dann die Gefahr, dass ein entsprechend geflutetes Netz durch hochfrequentes zu großes Zu- oder Abschalten von Erzeugungsleistung zu „pumpen“ beginnt und instabil wird. Wenn die Netzfrequenz die von den laufenden Generatoren schnell schwankend „überholt“ oder „hinterher“ läuft, kann es zu erheblichen Schäden bis zum Totalausfall dieser Anlagen führen. Ein langfristiger totaler Stromausfall ist dann unvermeidlich. Außerdem können Frequenzschwankungen Computer, Uhren, Motoren, Fernseher etc. aus dem Tritt geraten lassen, was nicht nur lästig ist, sondern in vielen Auswirkungen auch wirtschaftlich gefährlich ist. Es ist daher verständlich, dass sich Nachbarnetze als aktuell schnelle Maßnahme durch Phasenschieber gegen solche Risiken schützen wollen. Aber das ist nicht nachhaltig. Was kann und muss getan werden? Da die Menge des „Ökostroms“ politisch gewollt und sicherlich auch sinnvoll weiter steigen wird, muss ein überregionales Leistungsmanagement für diese Stromerzeugung her. So wie bei konventionellen Mittel- und Spitzenkraftwerken müssen es die Ökostromerzeuger künftig hinnehmen, dass sie in das Leistungsmanagement mit einbezogen werden, auch hinsichtlich reduzierter oder wegfallender Vergütung bei Nichtbedarf des Stroms. Der Anteil der Ökostromerzeugung am Gesamtstromaufkommen ist mittlerweile zeitweilig längst zu groß, um noch durch Reduktion der Leistung konventioneller Kraftwerke ausgeglichen zu werden. Dann kommt es eben zur Verschiebung von Energie in die Nachbarnetze. Wird diese unterbunden, stabilisiert das zwar das geschützte Netz, destabilisiert aber das überversorgte Netz. Dies wird, falls es in absehbarer Zeit keine konventionellen Kraftwerke mehr geben sollte, zu einer nicht zu unterschätzenden logistische Herausforderung führen, für die die Regeln und technischen Voraussetzungen schon längst hätten erarbeitet und eingeführt werden müssen, zumal eine gesicherte Versorgung nicht national, sondern bei ökostrombasierter Versorgung, die kaum in der Lage sein wird, den regionalen Bedarf aus regionaler Kapazität zu decken, weil das lokale Wetter sich eben nicht nach dem Bedarf richtet, so großflächig wie möglich anzulegen ist. Falls dies nicht schnellstens geschieht, wird man großflächig bald die Erfahrung machen, wie es sich anfühlt, in glutheißen Sommern, nasskalten stürmischen Novembertagen oder eisigen Wintern wochenlang ohne Strom und damit ohne Kühlung, Heizung, Wasser, Licht etc. leben zu müssen. Dieses Szenatio wird umso wahrscheinlicher, je stärker sich nationale Netze statt zusammen zu arbeiten gegeneinander abschotten. Aber dank diverser Partikularinteressen, die oft gefühlt statt technisch / medizinisch fundiert vorgebracht werden, schaffen wir ja nicht einmal den inländischen Lastausgleich.

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