Strom frei für Thüringer Strombrücke

Megaprojekt Thüringer Strombrücke: Die neue Nord-Süd Stromtrasse ist aktiv

Mit der Südwest-Kupelleitung alias „Thüringer Strombrücke“ ging am 14.09. die zweite Stromtrasse mit Nord-Süd-Verlauf ans Netz. Sie wird ab sofort Ökostrom aus Nordostdeutschland gen Bayern bringen und leistet damit einen maßgeblichen Beitrag zur Energiewende.

Spätestens wenn im Jahr 2022 das letzte AKW vom Netz genommen und der Ausstieg der Atomkraft endgültig besiegelt wird, muss die Energiewende Erfolge melden – sonst könnte es schlecht um unsere Stromversorgung stehen. Das neuste Mammutvorhaben der Netzstrombetreiber 50Hertz und Tennet ist dabei ein wesentlicher Eckpfeiler, auf dem das Stromsystem bauen soll. Wasserturbinen, Biogasanlagen, Windkrafträdern und Solaranlagen sollen die Stromproduktion künftig stemmen – dies bedeutet in der Folge auch, dass die Infrastruktur des Stromnetzes neu konzipiert werden muss. Weg von den Kraftwerken, hin zu neuen Aufbereitungsanlagen sowie parallel alte Verbindungen ersetzen, verstärken und optimieren.

 

Weiterer Ausbau des deutschen Stromnetzes

Die Notwendigkeit zum Ausbau der Höchstspannungsleitungen, Trassen und Stromkabel – ja letztlich des ganzen Systems – wird immer prägnanter. Das Stichwort Energiewende war nicht zuletzt bei den Wahlen ein heiß diskutiertes Thema. Doch während die Politik noch redet, sind die vier großen Übertragungsnetzbetreiber Tennet, 50Hertz, Amprion und TransnetBW bereits emsig mit Planung und Umsetzung so mancher Megaprojekte beschäftigt.

 

Die jüngste Errungenschaft bringt frischen Wind nach Bayern:

Nach nun mehr 15 Jahren Planung, Genehmigungen und Bauzeit verbindet die zweite Mega-Stromtrasse (neben der Verbindung Remptendorf – Redwitz) Nordostdeutschland mit Bayern. Sie hat viele Namen – Südwest-Kuppelleitung, Thüringer Strombrücke oder auch einfach nur „die umstrittene Stromtrasse“. Los geht es in Bad Lauchstädt (Sachsen-Anhalt) zum Umspannwerk Erfurt-Vieselbach (Thüringen), von dort aus weiter nach Altenfeld (Thüringen) und schließlich bis nach Redwitz (Bayern).

Bereits 2008 wurde der erste Abschnitt in Betrieb genommen, jetzt steht die komplette Trasse unter Strom. Seit wenigen Wochen transportiert die 192 Kilometer lange 380 kV-Trasse mit 445 Masten bis zu 5.000 Megawatt nachhaltigen Windstrom von Nord nach Süd.

Zur feierlichen Einweihung in der Berliner Unternehmenszentrale von 50Hertz betonte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU): „Energiewende heißt auch: Investitionen und Eingriffe in die Natur.“

Sehr weise. Und zugleich das wohl letzte Wort in Bezug auf die vielseitig Debatte, die den Ausbau dieser Stromleitung begleitete.

 

Das Projekt bekam bis zum Schluss eine Menge Gegenwind:

Eigentlich sollte die Südwest-Kuppelleitung noch vor der Abschaltung des Atomkraftwerkes Grafenrheinfeld aktiv sein. Dies ging bereits 2015 vom Netz. Das Projekte verzögerte sich, weil immer wieder Bürgerinitiativen, Kommunalpolitiker und Umweltschützer intervenierten.

Insbesondere in Thüringen klagte man über die unzumutbaren Belastungen. Der Grund: Zwei der drei Abschnitte überqueren den Thüringer Wald und greifen maßgeblich in dessen Natur ein. Lautstarke Proteste führten 2012 sogar vor das Bundesverwaltungsgericht. Schlussendlich bestätigte das Leipziger Gericht aber die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses.

Verantwortlich für diese Region ist der Netzbetreiber 50Hertz. Im Nachhinein räumt man hier seitens der Organisation auch Fehler ein. So sei die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern der betroffenen Regionen nicht ausreichend und auch nicht rechtzeitig implementiert wurden. Der technische Geschäftsführer von 50Hertz, Dr. Frank Golletz, erklärte, man habe eine klare Lernkurve durchschritten. Heute weiß man, dass die Netzbetreiber viel umfassender und frühzeitiger auf die Bevölkerung eingehen müssen, um derartige Projekte in einen transparenten Dialog zu bringen. In Zukunft will das Unternehmen intensiver und zügiger auf Anregungen bzw. Kritik eingehen, und damit aus der Thüringer Strombrücke auch für folgende Projekte lernen. Die Geschäftsleitung zieht für den jetzigen Ausbaustand ebenso eine klare Bilanz:

„Mit dieser Leitung verbessert sich die Integration des erneuerbar erzeugten Stroms im Nordosten Deutschlands beträchtlich. Zudem wird mit der nun wesentlich höheren Übertragungskapazität in Richtung Süddeutschland eine wesentliche Voraussetzung für den Atomausstieg geschaffen, indem mehr Strom vom erzeugungsstarken Nordosten in den verbrauchstarken Süden Deutschlands transportiert werden kann. Die Leitung wird ebenfalls mit dafür sorgen, dass die Kosten für das Engpassmanagement trotz weiteren Ausbaus der Erneuerbaren Energien auch in diesem Jahr voraussichtlich stabil bleiben“, so Boris Schucht, Vorsitzender der Geschäftsführung 50Hertz.

 

Auch die Entscheidungsträger sind völlig durch den Wind

Der Ausbau der Stromnetzes, die Energiewende, erneuerbare Energie – all das ist nötig, da sind sich im Großen und Ganzen die Parteien einig. Wenn es aber um das „Wie?“ geht, scheiten sich die Geister. Die einen wollen Höchstspannungsleitungen, die anderen Kabel, die nächsten plädieren auf den Umweltschutz, wieder andere auf die menschliche Gesundheit. Und dann wären da noch die Kosten. Zu Hause gemütlich Strom aus der Steckdose wollen aber alle. Wichtig ist es jedoch, das Stromsystem als komplexe Dynamik zu betrachten, in der eine Stromleitung nur ein Detail von vielen darstellt.

Pro:

  • deutlich mehr Transportkapazität für Nord-Süd-Verbindung
  • Entlastung des europäischen Strometzes
  • Voraussetzung für Ausstieg aus der Kernenergie und damit
  • wesentlicher Meilenstein für die Energiewende
  • Erhebliche Einsparungen bei den Engpassmanagementkosten

Kontra:

  • große Eingriffe in die Naturräume (Rodung, Betonierung, …)
  • Spannungsbelastung für die nahe gelegene Umwelt
  • Folgeschäden auf die Gesundheit müssen erst noch in Studien geklärt werden
  • auch im Fall von Stromkabeln statt Masten muss der Boden aufgerissen werden
  • es folgen zudem noch die Trassen Südlink und Südostlink – beide wahrscheinlich wieder durch Thüringen und damit drei der insgesamt vier neuen Megatrassen

Die Anträge für die weiteren Trassen werden derzeit noch geprüft. Als neutrale Instanz überwacht und genehmigt die Bundesnetzagentur den Ausbau des deutschen Stromnetzes. Dafür werden mehr denn je explizit Bürger und Gemeinden in die Entscheidungsprozesse eingebunden, um der Bevölkerung möglichst viel Teilnahme und Mitsprache einzuräumen. Gemäß Bundesbedarfsplangesetz sowie anhand der Netzentwicklungspläne wird vor allem im Norden und Osten Deutschlands die kommenden Jahre noch eine Menge Kapazität erneuerbarer Energie zu erwirtschaften sein.

Einerseits soll die Natur geschützt werden, andererseits gehen aber auch gerade von ihr Probleme aus. So drohte das Sturmtief „Sebastian“ noch kurz vor der Inbetriebnahme der neuen Leitung die alten zu überfordern und einen Blackout zu verursachen. Rekordverdächtige Windströme ließen die norddeutsche Stromproduktion extrem in die Höhe schnellen und der Abtransport der Elektrizität machte den Stromnetzbetreibern schon Sorge. Daher schaltete man die neue Trasse bereits einen Tag vor offizieller Einweihung probehalber ein – und siehe da, die Lage des nordeuropäischen Stromnetzes entspannte sich unmittelbar. Letztlich ist dies eben genau die Art von Druckmittel, die die milliardenschweren Investitionen in den Ausbau des Stromnetzes rechtfertigen.

Ende Dezember soll das AKW Grundremingen B abgeschaltet werden, wodurch es im vom bislang stark von Atomkraft abhängigen Bayern zu Engpässen kommen könnte. Dies soll durch die neuen Trassen und deren Energieimporte ausgeglichen werden. Im Norden wird demnach gewinnbringend produziert, im Süden bedenkenlos konsumiert – und in Thüringen weiter gebaut.

 

Bild: © 50hertz: Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (links) nimmt die Südwest-Kuppelleitung in Betrieb. 50Hertz-CEO Boris Schucht (rechts) und 50Hertz-Technik-Geschäftsführer Dr. Frank Golletz hatten zuvor von der Bedeutung der Leitung berichtet.

1 Kommentar

  1. Dörte Hamann -  28. September 2017 - 22:57 55308

    Die Thüringer Strombrücke „wird ab sofort Ökostrom aus Nordostdeutschland gen Bayern bringen“?! Is ja geil. Wurde wohl ein Sieb eingebaut um den ostdeutschen Kohlestrom auszufiltern?

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