Russland: Schwimmendes Kernkraftwerk fast fertig

Auch die Energiemacht Russland mit ihren bislang unerschöpflich scheinenden Öl- und Gasvorkommen muss über Alternativen bei der Stromerzeugung nachdenken. Jetzt hat der russische Atomkonzern Rosatom ein neues Projekt vorgestellt: Ein schwimmendes Kernkraftwerk, das fast fertig ist und 2018 oder 2019 im äußersten Osten Sibiriens in Betrieb gehen soll. Welche Chancen und vor allem auch welche Risiken die mit zwei kleineren Atomreaktoren ausgestattete Barke Akademik Lomonosov 1 in sich birgt, erläutern wir in diesem Artikel.

Neu ist die Idee vom schwimmenden Kernkraftwerk nicht. Schon in den 1970er-Jahren gab es erste Überlegungen, Plattformen nahe der Küste zu verankern und so Strom auch in entlegene Gebiete von Russland zu bringen. Jetzt hat sich der russische Atomkonzern Rosatom an die Umsetzung der Pläne gewagt und den Prototyp dieser Anlage mit dem Namen Akademik Lomonossow 1 zu Wasser gelassen. Dabei handelt es sich um eine 150 Meter lange Barke, auf der man zwei kleinere Reaktoren installiert hat. Das schwimmende Kernkraftwerk ist damit zwar fast fertig, aber mit einer Inbetriebnahme ist wohl auf Grund der enormen Kosten nicht vor 2018 bzw. 2019 zu rechnen.

Mit dieser neuen Art der Energiegewinnung sollen die Energieprobleme entlegener Siedlungen und Industrieanlagen gelöst und die Öl- und Gasförderung im arktischen Ozean vorangetrieben werden. Nils Böhmer von der norwegischen Umweltorganisation Bellona Foundation in Oslo sagte laut dem Deutschlandfunk: „Dafür hat Russland schwimmende Kernkraftwerke entwickelt, bei denen modifizierte Eisbrecher-Reaktoren zum Einsatz kommen.“

Stephan Kurth vom Ökoinstitut Darmstadt ergänzte dazu: „Das ist deswegen attraktiv, weil man einen solchen Reaktor an zentraler Stelle bauen kann, da, wo Werkstätten sind, wo Know-how vorhanden ist, und dann schleppt man das schwimmend zum Einsatzort. Der Reaktor wird dann verankert in Landnähe, im Hafen, und dann mit dem Stromnetz verbunden. Das ist dann praktisch ein schwimmendes Kraftwerk.“ Die zwei kleineren Reaktoren sollen gemeinsam 70 Megawatt Leistung erbringen.

Über die Vor- und Nachteile dieses Systems sagte der Experte: „Dadurch wird der Reaktor in bestimmten Situationen vielleicht etwas leichter handhabbar, wenn man an die Wärmemengen denkt, die auch im Störfall abzuführen sind. Anderseits kann natürlich auch gerade die kleinere, kompakte Bauweise Schwierigkeiten mit sich bringen. Das heißt, die Zugänglichkeit ist erfahrungsgemäß natürlich etwas problematischer. Der Reaktor ist aber trotz der geringen Leistung nicht so klein, dass man ihn sich selbst überlassen kann.“

Aber die abgelegene Lage könnte im Ernstfall Vorteil und Nachteil zugleich sein. Ein Unfall im arktischen Winter oder bei extremer Witterung könnte auf Grund der schlechten Infrastruktur dazu führen, dass der Ort des Reaktorunglückes nur sehr schwer und sehr spät erreicht werden würde. Die Betriebsmannschaft auf dem schwimmenden Kernkraftwerk wäre also in der ersten Zeit nach dem Störfall ganz auf sich gestellt und könnte im hohen Norden des riesigen Landes nicht auf Hilfe von außerhalb hoffen. Hilfsmittel und wichtige Spezialgeräte könnten dann erst viel zu spät eintreffen. Neben all diesen Faktoren ist auch noch die Frage zu beachten, wie sich die abgelegene Lage im Hinblick auf Zwischenfälle wie terroristische Attacken oder den Diebstahl von Nuklearmaterial auswirken würde, auch wenn man, anders als bei russischen Eisbrechern üblich, auf den schwimmenden Plattformen kein hochangereichertes Uran einsetzen muss, wie Rosatom versicherte.

All diese Probleme will das russische Unternehmen bedacht haben und hat jetzt im vergangenen September mit der Ausbildung der Crew der Akademik Lomonosov 1 begonnen. Erste Praxistests sind für Ende 2016 anvisiert. Zurzeit ist geplant, dass die Barke 2018 oder 2019 in den Hafen der 5.000-Seelen-Gemeinde Pevek im äußersten Osten Sibiriens geschleppt wird. Dann soll die Akademik Lomonosov 1 laut Rosatom dort das Kernkraftwerk Bilibino ersetzen und 40 Jahre lang Strom liefern. Ein Problem gibt es allerdings noch und das dürfte, neben den hohen Kosten, die Tatsache sein, dass der Hafen der kleinen Stadt erst noch mit der nötigen Infrastruktur versehen werden muss.

Trotz des Umfangs dieses Projektes und der Risiken sind die Russen natürlich sehr interessiert an dieser Form der Energiegewinnung, denn schließlich will man damit ein neues Geschäftsfeld erschließen. Auf dieser Technologie ist aber neben den Wirtschaftsbossen im Osten auch die kanadische Firma Dunedin Energy Systems interessiert, die ein ähnliches Projekt für entlegene Bergbaugebiete in Amerika plant und dafür mit dem renommierten Massachusetts Institute of Technology zusammenarbeitet. Derweil haben auch die Chinesen ein Kooperationsabkommen mit Rosatom unterzeichnet – und ganz nebenbei noch Eines mit der britischen Firma Lloyds Register.

Bilder: © Rosatom

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